Die Dynamik der Durchfahrt

17. August 2005 | Fachzeitschriften

Umgestaltung mit werkseitig vorpatiniertem Kupfer

Mitten in München, eher unauffällig und völlig unspektakulär war sie einfach vorhanden, die Hofdurchfahrt in der Schwanthaler Straße 31 (Bild 1. und 2.). Lange Zeit führte sie ein Aschenputteldasein. Im Lauf der Jahre verschmutzten die teils verbeulten Deckenlamellen aus farbbeschichtetem Aluminium und auch der braun-grau-rosé-farbene Naturstein rechts und links an den Wänden. Unschön war auch die im Lauf der Jahre entstandene Ansammlung von Schildern und verblichene Zettelchen mit allen möglichen Hinweisen für die Passanten. In der Decke flackerten vereinzelt Leuchtstofflampen in unterschiedlichen Lichtfarben. Zu allem Überdruss hatten sich auch die städtischen Behörden eingeschaltet und eine zu geringe Deckenhöhe für die Feuerwehrautos beanstandet.

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Bild 1.: Wenig einladend und auch ein wenig düster …

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Bild 2.: … wirkt diese Durchfahrt an der Schwanthaler Straße in München (Alle Fotos: Wolfgang Pulfer, München).

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Bild 3.: Die Natursteine für die Wandbekleidung waren verschmutzt und die Deckenlamellen verbeult.

Bereits 2000 war mein Büro aufgefordert worden, hier einen attraktiven Vorschlag zu unterbreiten, wie dieses dunkle, düstere Etwas atmosphärisch aufgewertet werden kann. Die Pflege- und Unterhaltsarbeiten sollten sich auch zukünftig im Rahmen halten oder sogar verringert werden. Zudem standen Mieterwechsel bevor und das angrenzende Beleuchtungsgeschäft litt unter der bedrückenden Ausstrahlung dieser Durchgangs-/Durchfahrtssituation. Die wenigen Menschen, die hier durchhuschten, erinnerten alle ein wenig an die grauen Männer aus Momo, dem Roman von Michael Ende. Zwar wurde der von uns dann unterbreitete Entwurf mit Begeisterung von der Eigentümergemeinschaft angenommen, doch die Investition und damit die Realisierung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Dann kam im Frühjahr 2003 überraschend das Okay und im Sommer wurde das Projekt schließlich konkret in Angriff genommen.

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Bild 4.: Die schrägen Fugenbilder der Wandbekleidung mit Tecu-Patina-Tafeln unterstreichen bereits in diesem Frühstadium der Arbeiten die formale Dynamik.

Rein und raus und hin und her und …

Da sich in der Durchfahrt nur ganz vorne rechts ein kleines Schaufenster befindet, bot die Passage überwiegend braun-graue Wände. Die Hauptnutzer sind zumeist die Autos von Mitarbeitern und Lieferanten. Die Idee war nun, das tagtägliche Geschehen dieser hier stattfindenden Dynamik des in den Hof Hinein- beziehungsweise Herausfahrens visuell umzusetzen. Beschleunigung und Abbremsen wechseln sich hier stetig ab, denn auch eine Schranke war zu bedienen (Bild 2).

Im Verhältnis zur Breite ist die Durchfahrt sehr lang. Die notwendigen Briefkästen, Klingelschilder, Werbetafeln, Ascheneimer etc. waren im Laufe der Zeit eher zufällig zusammengewürfelt worden und bildeten ein heilloses Durcheinander. Alles wirkte unruhig, ungeordnet, unsauber. Das bestehende Licht, allein von oben, warf unschöne Schatten auf die Gesichter der Passanten, es war insgesamt zu dunkel. Außerdem war die Forderung der Branddirektion, dass die vorhandene Decke für die Feuerwehrautos höher gesetzt werden muss, immer noch nicht erfüllt.

Wesentliche Kriterien für die neue Materialwahl waren Haltbarkeit, Pflegeleichtigkeit, Wartungsfreundlichkeit, aber auch eine leichte Auswechselbarkeit der Konstruktion, da in der Vergangenheit immer wieder Natursteinplatten kaputtgefahren worden sind und deren Austausch aufwendig und kostspielig war.

Aus dem hässlichen Entlein wird ein Schwan

Um der Länge der Durchfahrt Struktur zu geben, wurden auf- und abwärts gerichtete Elemente vor die Wände gesetzt. Sie schaffen Abwechslung und zusätzliche Tiefe. Die schrägen Fugenbilder unterstreichen die formale Dynamik (Bild 3. und 4.). Die Fahrzeugbauplatten mit den aufgeklebten, vorpatinierten Blechen sind witterungsbeständig, sehr stabil, dennoch in handlichem Format und dank Imbusschrauben leicht auswechselbar. Die Natursteinplatten sind somit in den bisher besonders gefährdeten Bereichen geschützt (Bild 5. und 6.). Außerdem konnte problemlos das darunter befindliche Plattenmaterial entnommen werden, welches als Ersatzmaterial im inneren Bereich des Treppehauses benötigt wurde.

ie für die Wandbekleidung verwendeten Tecu-Patina-Tafeln haben Ausgangsformate von 1000 x 2000 mm beziehungsweise 1250 x 2500 mm bei einer Materialdicke von 0,7 mm. Sie sind mit einem Einkomponenten-PU-Kleber auf Fahrzeugbau- oder Betoplanplatten aufgeklebt und zusätzlich mit Edelstahl-Blindnieten vernietet. Dieses bedeutet sowohl eine weitere mechanische Sicherung, als auch ein gestalterisches Element.

Die Wandbekleidung des Mittelblocks (Bild 7. und 8.) integriert alle Zusatzfunktionen der in der Passage befindlichen Elemente, wie Briefkästen, Schilder, Schalter und Verkabelungen, Aschenbecher oder sogar Beleuchtung. Die seitlich eingebauten Beleuchtungskörper lösen die reinen Schlagschatten von oben auf und bereiten ein weicheres Licht. Ihre schräge Anordnung verstärkt die dynamische Wirkung der Gestaltung (Bild 9.). Diese Funktion haben auch die beleuchteten, konischen Deckenfelder (Bild 10.). Sie drücken formal die Bewegungen nach innen beziehungsweise außen aus und symbolisieren die Unterbrechung der Aktionen durch Schranke oder entgegenkommende Verkehrsteilnehmer.

Um neben mehr Licht, mehr reflektierende Oberflächen in der Durchfahrt zu bekommen, wurden silberfarbene Edelstahlplatten und -winkel eingesetzt, die ebenfalls robust, wetterfest und pflegeleicht sind. Der Tunneleffekt wird dadurch etwas aufgehoben, die Mitte wird deutlich aufgehellt. Das zeigt sich auch bei einem Blick vom Hof auf die Schwanenthaler Straße (Bild 11.).

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Bild 5.: Besonders durch den Autoverkehr gefährdete Bereiche, wie der Seiteneingang …

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Bild 6.: … sind durch kupferbekleidete Platten geschützt, die sich durch die Verwendung von Imbusschrauben leicht auswechseln lassen.

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Bild 7.: Blick schräg in die Durchfahrt Richtung Hof auf die Wandbekleidung und den Mittelblock mit seinen verschiedenen Zusatzfunktionen.

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Bild 8.: Wie sehr der architektonische Eingriff die Durchfahrt positiv verändert zeigt der Vergleich dieses Bildes mit Bild 2.

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Bild 9.: Die schräg in die Wandbekleidung eingebauten Beleuchtungskörper sorgen zusammen mit der Deckenbeleuchtung …

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Bild 10.: … für eine Verstärkung der dynamischen Gestaltung und tauchen die Durchfahrt in freundliches Licht. Die konischen Lichtdeckenfelder zeigen den Autofahrern die richtige Richtung.

Bautafel

Projekt:
Umgestaltung Durchfahrt Schwanthaler Str. 31, München im Jahr 2003

Bauherr:
Hausverwaltung Maiberger & Antoni

Entwurfsverfasser:
Dipl.-Ing.(FH), Dipl. Designerin Anne Batisweiler,
Dipl.-Ing.(FH) Innenarchitekt Lukas Malenka,
Dipl.-Ing.(FH) Innenarchitektin Angelika Bungert-Stüttgen

Gebäudeprofil:
Kinos, Büros, Gastronomie, Läden, Praxen, Wohnen, Ausstellungen

Lichtplanung:
Linie 8 Lichtarchitektur, München

Ausführung der Kupferarbeiten:
Kunstschmiede Peter Reich, Pfaffing

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Bild 11.: Dieser Blick aus der Passage zur Schwanthaler Straße unterstreicht noch einmal eindrucksvoll die Aussage von Anne Batisweiler: „Aus einem hässlichen Entlein wurde ein Schwan“. Tatsächlich.

Beitrag in Baumetall 08/2005
Verlag: TFV Technischer Fachverlag GmbH, Stuttgart
www.baumetall.de

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