KINO- UND LICHTPLANERIN AUS MÜNCHEN
Serie: Berufsbilder mit Licht
Die Planung des Kinosaals Atelier Kino2 in München war der Start einer erfolgreichen Karriere im Bereich Kinoplanung. Damals und heute werden über gelungene Projekte begeisterte Auftraggeber sowie Stammkunden und Empfehlungen für Neukunden generiert.
Mit dieser Artikelserie stellen wir Ihnen Menschen vor, die mit dem Medium Licht arbeiten und aus ihrem Ausbildungs- und Berufsleben erzählen. Den Start macht die Münchner Innenarchitektin Anne Batisweiler, die sich auf die Planung von Kinos spezialisiert hat.
LICHT: Frau Batisweiler, Sie haben an der Hochschule Rosenheim und an der Universität der Künste Berlin studiert. Inwieweit war die Ausbildung dort inhaltlich für Ihr Berufsbild entscheidend? Welche Grundlagen wurden geschaffen?
Anne Batisweiler: Die Hochschule in Rosenheim ist eine sehr gute Adresse, weil der Bezug zur Praxis gelebt wird. Es gab zu meiner Zeit zwei Praxissemester, einmal auf dem Bau beziehungsweise im Handwerk und das Zweite im Planungsbüro. So wurden praktische Kenntnisse erworben, die den Bezug zur Theorie herstellen. Es diente dazu, die Frage zu beantworten: Wozu brauche ich das Fach? Die Energie beim Lernen ist gleich besser, wenn Zusammenhänge klar sind. Nach meinem Studium der Innenarchitektur war mein Wissensdrang noch nicht ganz befriedigt. Ich wollte meine Innenarchitekturkenntnisse vertiefen, deshalb sollte das zweite Studium das erste besser herausarbeiten. So hatte ich mich entschlossen, an der Universität der Künste in Berlin das Studium der visuellen Kommunikation anzuhängen. Dort konnte ich die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Architektur, Bühnenbild, Filmgestaltung, Grafik, Ausstellungs- und Messebau sowie Malerei und Produktdesign intensiv leben. „Innenarchitektur ist für alle Sinne und das muss gelebt werden!“
Steckbrief: Anne Batisweiler, München Ausbildung: Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur (FH/Hochschule Rosenheim), Dipl.-Designerin (Hochschule/Universität der Künste Berlin) Firma: Kinoplanung Batisweiler / Planung-Raum-Design Anne Batisweiler Berufsbild: Kinoplanerin, Designerin Kurze Berufsbeschreibung: Gestaltung im Bereich Innenarchitektur, Design, Licht, Farben Persönliches Licht-Mantra: Im Licht sind alle Farben des Universums enthalten. Was gibt es Schöneres als diese bunte, leuchtende Welt?
Kontakt: www.kinoplanung.de, www.planung-raum-design.de
LICHT: Welche Themen begegnen Ihnen in der Praxis?
Anne Batisweiler: Kinoplanung erfordert ein sehr spezielles Fachwissen. Kinos müssen per se ohne Tageslicht auskommen, außer im Foyer vielleicht. Es geht nicht nur um Licht sondern auch um Akustik, Brandschutz und Klima, weil nicht mal schnell ein Fenster aufgemacht werden kann. Es gelten unter anderem die Verordnungen zu Versammlungsstätten, ein relativ schwieriges Gebiet der Planung mit hohen Anforderungen an die Bauordnung. Im Kino ist Licht zum einen Mittel zum Zweck, beispielsweise um von A nach B zu finden. Zum anderen muss Licht Atmosphäre gestalten und zum Ambiente beitragen. Früher wurde das Kino auch Lichtspielhaus genannt und das darf man an der Stelle durchaus wörtlich nehmen. Lichtspiele einzubringen bereichert die Wahrnehmung ungemein. Im Kino arbeitet man viel mit gedimmtem Licht. Das setzt eine sehr gute Steuerungstechnik voraus, die auch noch in Kombination mit der Korrelationstechnik funktionieren muss, wie zum Beispiel Vorhang auf und zu. Im Kino sind außerdem Themen wie Sicherheits-, Stufen- und Fluchtwegbeleuchtung, Fluchtwegpiktogramme und alles was damit im Zusammenhang steht, wichtig. Und das alles nicht nur in den Sälen, sondern auch im Rest vom Gebäude. Wenn an den Kassen Waren ausgestellt werden, müssen auch diese gut ausgeleuchtet sein. Das Popcorn soll nicht nur frisch und knackig sein, sondern auch so aussehen.
LICHT: Zu welchen Gewerken oder Berufsgruppen gibt es Schnittstellen?
Anne Batisweiler: Ich habe viel mit Architekten, Produktdesignern, Grafikern, dem Messe- und Ausstellungsbau, Bühne, freier Kunst, Schreinern, Innenausbau, Lichtplanern, Akustikern, Ladenbau, Praxen-, Hotel- und Gastroeinrichtern zu tun. Es geht in meiner Arbeit um die Visualisierung von Inhalten, eine Bühne für ein Werk zu schaffen, egal ob geistiger oder materieller Natur. Licht ist dabei funktionales, gestalterisches und künstlerisches Element.
LICHT: Welche Standards, Richtlinien und Vorgaben müssen bei Ihrer Arbeit eingehalten werden?
Anne Batisweiler: Die ganzen Bauordnungen, DIN-Normen, technische und gesetzliche Vorgaben, der Stand der Technik, Vergabe- und Verdingungsordnungen, Trends, historische Vorgaben sowie Denkmalschutz, Corporate Identity und Corporate Design, Proportionsregeln und ästhetische Stilrichtungen, Naturgesetze, psychologische und medizinische Erkenntnisse, rechtliche Vorschriften und Gesetze, Ergonomie, Kommunikationsregeln, Sprache in Wort und Bild, …ich könnte einige mehr nennen.
Die Museum Lichtspiele in München ist Kult, denn seit 40 Jahren läuft hier jede Woche die »Rocky Horror Picture Show«. Anne Batisweiler entwickelte für das Foyer ein Lichtkonzept, bestehend aus einer RGB-Beleuchtung und eigens dafür entworfenen Kronleuchtern und Wandkandelabern.
„Das Popcorn soll nicht nur frisch und knackig sein, sondern auch so aussehen.“, so auch im Cineplex in Memmingen.
Planung eines privaten Schwimmbads in Trudering
LICHT: Welche Informationen sind nötig, um ein Projekt erfolgreich bearbeiten zu können?
Anne Batisweiler: Neugierde und Interesse an Menschen und Lösungen, Fort- sowie Weiterbildungen, Kontakte, Netzwerke, interdisziplinärer Teamgeist, Fachwissen, Erfahrungen, technisches Verständnis, Augenmaß, Sensibilität und Reflexion, Beobachtungsgabe, Ordnungssinn und Struktur, strategische und wirtschaftliche Kenntnisse. Die fallen mir als Erstes dazu ein. Bei einem Projekt ist wichtig: Was ist das Ziel, welche Bedingungen bestehen und welche müssen geschaffen werden? Alles passiert im Kontext von Menschen für Menschen. Beim Kino wird beispielsweise für den Besucher/Kunden, Chef, die Reinigungskraft, den Pförtner, Kartenabreißer, Empfang, Kassenpersonal und Service gestaltet. Alle sollen sich in der Umgebung gut zurechtfinden und arbeiten können. Da muss ich als Erstes wissen, was brauchen die Personen, die dort arbeiten und auch, was können die Leute leisten, mit denen ich am Projekt arbeite. Ich muss die jeweiligen Sprachen sprechen und Worte benutzen, die die Menschen kennen und bei Fachbegriffen, diese entsprechend erklären. Vielleicht noch ein Beispiel: in einer Zeitschrift war die Pausenhalle einer Schule abgebildet. Hochmodern, mit Rohbetonwänden und lindgrünem Linoleumboden. Von rein optischen Gesichtspunkten aus gesehen, ist das Projekt ein tolles Ergebnis. Als ich mir das Foto angeschaut habe, wusste ich allerdings, dass die Akustik in dem Raum überhaupt nicht gelöst wurde. Der Kinderlärm wird in dem Raum sogar verschlimmert, die Lehrer werden genervt sein. Dabei geht es doch auch darum, dass sich Lehrer und Schüler in dem Raum wohlfühlen, ihr Zusammensein gut funktioniert. Für mich ist an dieser Stelle die Aufgabe nicht erfüllt worden. Ich habe immer die Gestaltung im Hinterkopf, aber erst einmal geht es darum, dass der Auftraggeber Geld in die Hand nimmt um eine Verbesserung zu generieren. Innenarchitektur ist für alle Sinne und das muss gelebt werden!
LICHT: Was möchten Sie Interessenten eines Studiums bzw. Studierenden mitgeben?
Anne Batisweiler: Seid begeisterungsfähig, neugierig, entscheidungsfreudig, offen, mutig, risikobereit sowie engagiert. Zeigt Empathie, Experimentierfreude, Beobachtungsgabe und Durchhaltevermögen. Findet heraus, wo euch das Herz aufgeht, der Glanz in die Augen und das Strahlen ins Gesicht kommt. Behaltet im Kopf, dass ihr an Wissen teilnehmt. Erachtet den Arbeitsbereich für wichtig, in dem ihr in der Vorlesung sitzt. Das Modul hat einen Sinn im Lehrplan. Seid wissbegierig und macht mit. Die Hochschule Rosenheim bietet ebenso wie die Universität der Künste Berlin einen tollen Rahmen um sich auszuleben sowie Themen von allen Seiten anzugehen. Wenn eine Vorlesung wirklich mühsam oder schwierig zu verfolgen ist, überlegt euch warum das so ist und bringt Vorschläge für eine Verbesserung der Situation ein. Habt Mut Veränderungen anzuregen. Professoren sind unglaublich dankbar für konstruktive Impulse von Studenten.
LICHT: Frau Batisweiler, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Monique Hanisch. Sie studierte Medientechnologie an der TU Ilmenau und konnte über fünf Jahre Erfahrung in den Bereichen Lichtanwendung sowie Lichtplanung sammeln, bevor sie sich 2015 als Freiberuflerin selbstständig gemacht hat.
Beitrag in LICHT – 04/2015
Autorinnen: Monique Hanisch / Anne Batisweiler
Verlag: Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG
www.lichtnet.de