Viele denken beim Beruf des Innenarchitekten an bunte Vorhänge und Designermöbel – weit gefehlt. Das Magazin „exklusive Häuser“ hat die Münchner Innenarchitektin Anne Batisweiler gefragt, wie ihr Arbeitsalltag aussieht und wie sich ihr Berufsbild von dem des Architekten und des Innenausstatters abgrenzen lässt.
Anne Batisweiler trägt die Titel Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Innenarchitektur und Dipl. Designerin. Sie ist tätig als Innenarchitektin für Privatpersonen sowie gewerbliche Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Kinogestaltung. Sie studierte in Rosenheim Innenarchitektur, an der Hochschule der Künste Berlin visuelle Kommunikation und erhielt 1988 ein Stipendium. 1992 gründete sie in München ihr eigenes Büro. Danach folgten Lehraufträge an den Fachhochschulen Rosenheim und München sowie diverse Gastvorträge. Zudem ist sie immer wieder Mitglied verschiedener Jurys und Auswahlgremien.
Frau Batisweiler, Sie sind seit über 20 Jahren im Geschäft. Was sind die Hauptaufgaben einer Innenarchitektin?
Anne Batisweiler: Natürlich die bestmögliche Lösung für den Kunden gemäß dessen Vorgaben und Möglichkeiten zu generieren! Also Beratung, Planung, Bauleitung und jede Menge zusätzlicher Kram, der nötig ist, um ein Projekt von der Grundlagenermittlung bis zur Realisierung erfolgreich umzusetzen.
Welche Vorurteile begegnen Ihnen im Alltag bezüglich Ihres Berufs?
Anne Batisweiler: Die meisten Menschen sind erstaunt, wenn sie hören, dass ich auch Baustellen betreue. Das Bild vom staubigen Bau ist im Zusammenhang mit Farben, Materialien und Lichtgestaltung bei den Leuten nicht im Kopf. Dazu kommt, dass viele auch technisches Verständnis und Know-how, wie beispielsweise zu Beleuchtungstechnik, Akustik, Brandschutz oder Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik bei einer Frau nicht erwarten.
Haben Sie eine handwerkliche Ausbildung gemacht? Wenn ja, inwieweit hilft Ihnen das im Alltag?
Anne Batisweiler: Ich war schon immer handwerklich interessiert und begabt. Ich habe beim Schreiner, Verputzer, Maurer, Schlosser, Raumausstatter, Keramiker, Maler und Lichtplaner Erfahrungen gesammelt. Ich kann mir Arbeitsabläufe gut vorstellen und kenne viele Werkzeuge, Baumaterialien und deren Einsatzmöglichkeiten. Da hilft meine handwerkliche Begeisterung schon bei der Planung, aber auch sehr in der Arbeit und Kommunikation mit den Handwerkern.
Sie haben sehr viele Kinosäle gestaltet. Wo überschneidet sich die Arbeit für private und öffentliche Auftraggeber?
Anne Batisweiler: Meine Arbeit unterscheidet sich weniger zwischen öffentlich und privat, eher zwischen gewerblich und privat. Gewerbliche Projekte sind in der Regel technisch wesentlich anspruchsvoller und strengeren behördlichen Vorschriften unterworfen. Dem gegenüber sind private Projekte ziemlich „einfach“. Mein Wissen und besonders die Erfahrung mit Lichtgestaltung und Akustik aus den Kinoprojekten kommt auch privaten Bauherren zugute. Sehr oft sehe ich zwar gestalterisch ansprechende Projektveröffentlichungen, „höre“ jedoch bereits, wie akustisch unbefriedigend die Raumgestaltung und Materialwahl ist. Lärm erzeugt Stress. Meine Räume haben den Anspruch für alle Sinne wohltuend zu sein, nicht nur für die Optik. Und wenn die Bewohner beim Putzen auf pflegeleichte und robuste Materialien treffen oder der Hausherr selten Leuchtmittel wechseln muss und bei der Stromrechnung spart, dann kann ich auch auf dieser Ebene Erfreuliches beitragen.
Wo überschneiden sich die Arbeitsbereiche von Architekt, Innenarchitekt und Innenausstatter?
Anne Batisweiler: Ganz grundsätzlich gilt, dass wechselseitiges Planen von innen nach außen und umgekehrt die allerbesten Räume garantiert. So wie die meisten Innenarchitekten eher weniger mit Außenwärmedämmung, Fundamenterstellung oder Traufausbildung zu tun haben, so haben Architekten auch selten Übung mit Wohntextilien, Möbelscharnieren oder ergonomischen Maßen wie beispielsweise Sitztiefen oder -höhen. Innenarchitekten sind meiner Erfahrung nach näher am Menschen, wobei es auch immer Ausnahmen gibt, welche die Regel bestätigen. Eine aufgeschlossene Zusammenarbeit zwischen Architekt und Innenarchitekt ist die beste Voraussetzung für ausgezeichnete Lösungen. Innenausstatter sind überwiegend auf einen bestimmten Bereich spezialisiert, wie Polstern, Nähen und Bodenverlegung. Ihnen fehlt die umfassende Ausbildung über all die anderen Gewerke hinweg, mit denen ein Architekt oder Innenarchitekt zu tun hat. Sie sind die Spezialisten für die Bearbeitung der Möbel, ähnlich wie Schreiner oder Innenausbaufirmen.
Ist es einfacher bestehende Projekte umzunutzen oder gestaltet sich die Planung bei Neubauten leichter, weil man quasi bei null beginnt?
Anne Batisweiler: Nur wenn man bei der Planung von Neubauten von Beginn an mit einbezogen wird, kann der Prozess von innen nach außen und umgekehrt stattfinden und beste Lösungen ermöglichen. Ansonsten sind für Innenarchitekten Neubauten letztlich auch Bauten im Bestand und das ist Alltagsgeschäft.
Haben Sie ein Lieblingsprojekt und wenn ja, warum? Wo lag bei diesem Innenraum der Reiz?
Anne Batisweiler: Jedes Projekt ist ein Lieblingsprojekt, denn Planen und Beraten sind meine Leidenschaft. Daher gibt es zu jedem Projekt auch eine Geschichte, welche Idee oder welcher Effekt jeweils besonders gelungen ist. Ich liebe es, in sehr unterschiedlichen Stilrichtungen und ganz individuell gemäß den Anforderungen des jeweiligen Projekts zu gestalten. Ein Herzensprojekt war natürlich mein eigenes Zuhause und mein Büro.
Wie wohnen Sie selbst?
Anne Batisweiler: In einer restaurierten Jugendstilvilla, die unter Denkmalschutz steht. Sie ist technisch auf modernstem Stand, was man jedoch nicht sieht. Eingerichtet bin ich sehr bunt und individuell, mit einer Mischung aus Antiquitäten, Kunst, Design, modernen Möbeln und Leuchten aus allen Stilrichtungen.
Können Sie unseren Lesern einen Tipp geben, wie man sich für das Thema Innenarchitektur sensibilisiert?
Anne Batisweiler: Der Besuch von Messen, Einrichtungshäusern und Ausstellungen, das Schmökern in entsprechenden Fachzeitschriften und -büchern, der Austausch mit Architekten, Innenarchitekten, Gestaltern, das wären Ansätze, die helfen können.
Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Lydia Meyer
Beitrag in exklusive häuser 01/2015
Autorinnen: Lydia Meyer / Anne Batisweiler
Verlag: Family Home Verlag GmbH
www.hurra-wir-bauen.de